Kritik & Spott: Junge SVP beklagt sich über Anti-SVP-Hetze in Medien
Die Junge SVP ruft die Medien auf, sich zu mässigen: Sie sei nicht «radikal». Doch die anderen Jungparteien widersprechen energisch.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Junge SVP will in den Medien nicht «radikal» oder gar «rechtsradikal» genannt werden.
- Das Attentat auf Donald Trump zeige, dass Mässigung angezeigt sei.
- Mit der Kritik an den Medien habe sie recht, sagen andere – mit allem anderen nicht.
Nach dem Attentat auf Donald Trump haben sowohl Republikaner wie Demokraten dazu aufgerufen, die politische Debatte «runterzukühlen». Unter dem Eindruck dieses und anderer, kürzlicher Ereignisse tut das nun auch die Junge SVP – aber gegenüber den Medien. Sie fordert «einen sofortigen Stopp medialer Hetzkampagnen gegen politisch unliebsame Meinungsvertreter».
Ein Dorn im Auge ist der JSVP-Führung rund um Präsident Nils Fiechter insbesondere die Wortwahl, wenn es um SVPler geht. So wurde Strategiechefin Sarah Regez als «SVP-Rechtsradikale» betitelt, zusammen mit Fiechter sei sie das «radikale Power Couple». Sie wollten «die Jungpartei radikalisieren» und auch Neo-SVP-Präsident Marcel Dettling werde «die SVP noch radikaler machen».
Junge Mitte: «Wohl zu viel Sonne abgekriegt»
Dies, so Fiechter, sei «Gift für die Demokratie» – doch bei Polit-Beobachtern und den anderen Jungparteien sticht er damit in ein Wespennest. «Ausgerechnet eine der Polparteien», findet Jungfreisinnigen-Präsident Jonas Lüthy. «Ausgerechnet die Junge SVP fordert, dass sich die Medien in ihrer Wortwahl mässigen sollen», ruft auch Junge-Mitte-Präsident Marc Rüdisüli aus. «Was für ein Widerspruch!»
Schliesslich sei es die SVP, die Bundesrat Berset als «Diktator» bezeichnet hat oder Nemo mit Messerstechern in den gleichen Topf werfe. Auch die neue Juso-Präsidentin Mirjam Hostetmann will den Aufruf nicht ernst nehmen. Mit diesem Absender lese sich das «wie ein schlechter Aprilscherz».
Polit-Analyst Mark Balsiger gibt den Jungpolitikern recht: Die JSVP blende aus, dass ihre Mutterpartei und sie regelmässig selbst als Brandstifterin aufträten. «Bei den Sujets geht das vom Messerstecher über das schwarze Schaf bis zu den Würmern im Schweizer Apfel.»
Gerechtfertigte Medienkritik?
Allerdings sagt Balsiger auch: «Die JSVP kritisiert die Medien zu Recht.» Medien würden tatsächlich oft ruppige Schlagwörter von Dritten übernehmen oder eigene verwenden, weil solche Artikel mehr angeklickt werden. «Mit mehr Reflexion über die eigene Rolle könnte der Lärm reduziert werden.»
Auch diesbezüglich sind sich die Jungparteien einig: Beide Seiten, Politik und Medien, trügen Verantwortung für das politische Klima, sagt etwa der Jungfreisinnige Lüthy. Das sei unbestritten, pflichtet auch Rüdisüli bei: Gewisse extreme Aussagen sollten nicht auch noch verbreitet werden. Privatisierung und Marktzwang führten immer öfter zu zugespitzter, reisserischer Wortwahl, räumt Juso-Chefin Hostetmann ein.
Junge SVP: «Radikal» oder gar «rechtsradikal»?
Doch das sei es nicht, was die JSVP kritisiere, betont Hostetmann. Sondern: «Die rechtsradikale Jungpartei will nicht als das bezeichnet werden, was sie ist; nämlich rechtsradikal.»
Etwas weniger streng gehen die beiden bürgerlichen Jungpolitiker mit der JSVP ins Gericht. Sie haben aber kein Problem mit den bemängelten Medien-Zitaten: «Die Junge SVP wird immer radikaler», bekräftigt Rüdisüli. Die Wortwahl sei schlicht zutreffend, bestätigt Lüthy.
«Zumal es die Spitze der JSVP bis heute nicht geschafft hat, sich von rechtsextremen Inhalten und Gruppierungen zu distanzieren», so Lüthy. Genau deswegen findet Mirjam Hostetmann: «Sie lediglich als ‹radikal› oder ‹rechtsradikal› zu bezeichnen, ist fast schon verharmlosend.» «Rechtsextrem» wäre ihr lieber.
Provokation mit System
Dass nun ausgerechnet eine der Polparteien zu Mässigung aufrufe, sei zumindest ironisch, vielleicht auch bewusst populistisch, glaubt Jungfreisinnigen-Präsident Jonas Lüthy. Er nimmt dabei auch die Juso in die Pflicht, da so systematisch zu einem oberflächlicheren und populistischeren Diskus beigetragen werde.
Der Jungen SVP gefalle nicht, wenn ihnen die Medien einen Spiegel vorhielten, analysiert Marc Rüdisüli von der Jungen Mitte. «Sie bestreiten es, weil sie ihr radikales Gedankengut normalisieren wollen.»
Auch für Mark Balsiger hat das Ganze System: Solche Provokationen seien mitverantwortlich für den Aufstieg der SVP seit 1991. Denn damit habe die 11-Prozent-Partei Aufmerksamkeit erhalten und es zur 28-Prozent-Partei gebracht. «Keine andere Partei hat so früh und so konsequent die Medienlogik verinnerlicht.»
Mit den Medien, gegen die Medien: Vorbild Trump
«Natürlich kann und soll man die Medien kritisieren», betont Juso-Hostetmann. Was die «neue Rechte» aber mache, sei ein gezielter Angriff auf freie Meinungsäusserung und Wissenschaft. Die Folge davon seien dann Drohungen gegen Medienschaffende.
Drohungen, wie sie im unmittelbaren Anschluss an das Attentat auf Donald Trump passierten. Zuschauer drehten sich um, zur Medienzone, und riefen «ihr seid schuld» und «ihr seid die Nächsten».
Es sei Teil der Strategie von Populisten, Misstrauen in die etablierten Medien zu schaffen, sagt Marc Rüdisüli. «Sie verunglimpfen die Medien, damit man ihnen nicht mehr glaubt.» Das sei eine sehr gefährliche Entwicklung.
In den USA sei der Hass gegenüber den Medien besorgniserregend, stimmt Polit-Analyst Mark Balsiger zu. «Eine zentrale Figur, die diesen Hass seit 2015 systematisch befeuert, ist Donald Trump. Das blendet die Junge SVP komplett aus.»